Einmal in den Bann gezogen kommt man nicht mehr davon weg -- wo liegt die Grenze, wie klein etwas ist um weggeworfen zu werden?
In der Quiltwelt gibt es eine alte Weisheit, übersetzt so viel wie: Große Träume können aus kleinen Stoffstücken entstehen. Wenn wir uns die Geschichte der Quiltkunst ansehen, dann merken wir, dass viele der wertvollsten und schönsten Quilts aus gesammelten und geschickt arrangierten kleinen Stoffstücken bestehen. Das ist nicht nur Stoffmaterial, das ist nicht nur ein Quilt, das ist ein Erbe, das Generationen überdauern kann. Beispiel bei antiken Quilts kennen wir zur Genüge und auch bei uns, die wir schon lange unserem Hobby, unserer Obsession, frönen kennt man das. Der Babyquilt für meinen Sohn hat die 30 Jahresgrenze erreicht. Unbeschadet, unglaublich geliebt bis heute, und hier gleich ein Tipp: man kann ruhig einen großen Quilt für ein sehr kleines Baby nähen!
Die Magie der kleinen Stoffstücke
Jeder Quilt erzählt eine Geschichte, nämlich eigentlich unsere Geschichte, aber es sind die kleinen Stoffstücke, die oft die Seele des Projekts ausmachen. Der Quilt singt und er spricht zu uns, er sagt einem was er will und was nicht. Wenn man diese Phase erreicht hat bei einem Langzeitprojekt, dann hat man den glücklichsten Weg eingeschlagen.
Das Einarbeiten von alten Kleidungsstücken ist etwas, das die Geister scheidet. Die Materialien sind oft mürbe, ein Hemd, das lockerer gewoben ist als unsere Quiltstoffe, eine andere Dichte und Gramm/Quadratmeter aufweist, und dazu schon bereits eigentlich seine Lebensgrenze beinahe erreicht hat, ist ein Risiko. Wenn man sich dessen bewusst ist steht einer Verarbeitung nichts im Weg. Ich selbst habe schon einmal einen Quilt aufgeben müssen, er hat sich nach drei oder vier Jahren wirklich vor meinen Augen aufgelöst. Jeden Tag ein aufgeriebenes, verschwundenes Stück mehr. Zuerst ein Stoff, dort waren nur mehr Vliesteile zu sehen, dann der nächste Stoff -- das möchte ich nicht mehr erleben. Erinnerungsquilts sind etwas Fantastisches, aber immer im Hinterkopf behalten, das ist nicht von ewiger Dauer. Was hilft ist das Unterbügeln mit Vlies (z.B. H180), ansonsten kann man sich nach einigen Jahren auf eine Dauerreparatur einstellen. Mein Quilt war, bei allem Können und bei allem Willen, absolut nicht zu retten.
Für kommende Generationen
Was heute ein kleiner Stoffrest ist, kann morgen ein Teil eines Familienerbstücks sein. Quilts, die aus kleinen Stoffstücken gefertigt wurden, werden oft von Generation zu Generation weitergegeben, und wer schon länger dabei ist erkennt in den Quilts, die jetzt herum"geistern, schon die Periode, wann die Stoffe produziert wurden. Ausgenommen natürlich Repros, die werden laufend nachgedruckt. Es gab die Debbie Mumm Phase, die Jinny Beyer Phase usw. Der Zeitablauf ist sowohl in Mustern, als auch in den Stoffen selbst zu bemerken.
Lebenslange Freude - das würden wir mit unseren Quilts, die viele Arbeitsstunden und manchmal ganze Lebensabschnitte beinhalten - wünschen. Warum ich, obwohl ich so viele Handarbeitsarten beherrsche, vor vielen Jahren beim Quilten regelrecht kleben geblieben bin? Weil mich nichts so herausfordert wie ein Quilt, mich vor so viele Entscheidungen stellt während der Anfertigung und das Ergebnis Jahre überdauert, hoffentlich geschätzt und geliebt.
Viel Freude mit Euren Quilts! Und es muss nicht immer ein Riese sein, auch ein zwergig kleiner Quilt macht den gleichen Spaß.
....ab und zu ein kritischer Blick von Dritten kann wirklich nicht schaden